Kommentar zu „Was bringt der Ausbau?“
von Tonmeister und Bahnliebhaber Jürgen Hanelt:
Auch die Gegner von Lärmschutzwänden sind für den gesellschaftlichen Fortschritt. Dieser sollte nur vernünftig sein und das erscheint in diesem Falle als sehr fraglich.
Reisezeitverkürzungen sind gut, sind sie es aber auch um jeden Preis?
Seit etwa 25 Jahren weiden sich eisenbahnfremde Manager an der Eisenbahn aus, mit katastrophalen Folgen für den gesamten Betrieb. Stichworte: Personalabbau von 800.000 auf 110.000 Eisenbahner, Abbau von 50 % aller Weichen im Schienennetz (was das bedeutet, wäre ein separater Aufsatz!), Streckennetzabbau um 7.000 Km in den letzten 15 Jahren (ja wirklich: Das ist 7 mal durch ganz Deutschland und im gleichen Zeitraum ist wohl kein einziger Kilometer Strasse abgebaut worden).
Die Folgen sind katastrophal: Kein Personal mehr vor Ort, der Bahnhof (vormals mit beheiztem Warteraum, Fahrkartenschalter und Blumen am Bahnsteig) geschlossen, verkauft oder abgerissen. Dafür ein Buswartehäuschen auf einer Betonpiste – ein Witz. Vielerorts vergammeln für den Eisenbahnbetrieb wertvolle Gebäude, weil Niemand mehr da ist. Totale Ausdünnung im Betriebspersonal (wenn ein Lokführer einen Schnupfen kriegt, wird’s schon eng), eine eingefrohrene Weiche legt stundenlang den Betrieb in 200 Km Umkreis lahm, früher ging ein Mensch (Weichenschmierer) einfach hin und hat sie gängig gemacht – doch der Mensch wurde abgeschafft. Da es viele Schienentransportprodukte nicht mehr gibt, wachsen auf den Rangierbahnhöfen die Birken, während die Autobahnen vom LKW-Verkehr total verstopfen und immer öfter repariert werden müssen (auf Kosten der Steuerzahler).
Was hat das alles mit dem ICE-Ausbau zu tun?
Ganz einfach: Es müsste an den gesamten Organismus “Bahn” gedacht werden und nicht nur an die “Leuchtturmprojekte”.
Und zur Reisezeitverkürzung noch ein letztes Wort: Wenn die DBAG es erst seit wenigen Jahren schafft, die Reisezeiten (z.B. zwischen Hamburg und Berlin oder zwischen Berlin und Dresden) von 1935 zu unterbieten, muß man sich doch die Frage stellen, ob das nicht auch ohne Betonwahnsinn sondern einfach nur mit “Eisenbahn, aber gut gemacht” geht.
Jürgen Hanelt
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